Simon Boll und Jan Spies sind Studierende und Psychotherapeuten in Ausbildung im Jahrgang Verhaltenstherapie 2013 an der Psychologischen Hochschule Berlin. Auf dem diesjährigen DGVT Kongress waren Sie als Besucher und Referenten dabei und gewähren einen Einblick in ihre persönlichen Kongresserfahrungen:
Der diesjährige DGVT-Kongress stand unter der Überschrift: „The Dark Side of the Moon. Krisen, Traumata… – verlorene Sicherheit zurückgewinnen“. Vom 24.02.-28.02.2016 fanden in der FU-Berlin Vorträge, Workshops, Symposien und Posterpräsentationen zu diesem spannenden und überaus wichtigen Thema statt.
Bereits vor der offiziellen Kongresseröffnung am Mittwochabend hatten wir im Rahmen eines Pre-Congress Workshops die Möglichkeit, gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier die einzelnen Behandlungselemente und Ziele des von James McCollough entwickelten Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) vorzustellen. In dem praxisnah und interaktiv gestalteten dreistündigen Workshop mit 25 Teilnehmern (ausgebucht!), konnten wir in angenehmer Atmosphäre auch direkt auf die Fragen der Teilnehmer eingehen. Ein spezieller Fokus lag hierbei auf der Beziehungsgestaltung in dem schulenübergreifenden Psychotherapieverfahren. Die Art der Beziehungsgestaltung in CBASP versteht sich als ein kontingentes, diszipliniertes und persönliches Einlassen auf den Patienten, um eine heilsame korrigierende Beziehungserfahrung zu ermöglichen und setzt somit an der speziellen Psychopathologie chronisch depressiver Patienten mit frühkindlichen Traumatisierungen an. Besonders gefreut haben wir uns über die die bereichernden Fragen und die sehr gute Resonanz der Teilnehmer.
Im Anschluss an den gelungenen Workshop verfolgten wir einen sehr spannenden Eröffnungsvortrag von Prof. Neuner. Angesichts der gegenwärtigen Konflikte in den verschiedensten Regionen der Erde, betonte Herr Prof. Dr. Frank Neuner, der selbst umfassende Erfahrungen in der Psychotherapie und Traumabehandlung in Krisengebieten weltweit sammeln konnte, sehr deutlich die Notwendigkeit pragmatischer Interventionen für Flüchtlinge genauso wie für alle Opfer von Kindesmisshandlung vor unserer eigenen Haustür, also letztlich für alle Opfer von Traumatisierungen zu einem Zeitpunkt in ihrem Leben.
Während des Kongresses besuchten wir zudem unter anderem ein sehr spannendes Symposium mit dem Titel: ‚Die Schattenseiten der Psychotherapie: Ein Symposium zur Bestandsaufnahme von Nebenwirkungen in der Psychotherapie’, welches die uns sehr beeindruckende Saskia Scholten aus Bochum organisiert hat und selbst einen wichtigen und sehr lebendigen Vortrag mit dem Titel „Patientenbeschwerden und ihre Auswirkungen: Ergebnisse einer qualitativen Inhaltsanalyse von Patientenbeschwerden bei der Landespsychotherapeutenkammer NRW“ gehalten hat. Zudem stellte unsere Professorin Dr. Eva-Lotta Brakemeier innovative Daten im Rahmen ihres Vortrags „Zwei Seiten einer Medaille: Nebenwirkungen und Wirkungen von stationären Psychotherapiekonzepten“ vor. Sie plädiert dafür, Nebenwirkungen im Rahmen von Psychotherapien stets zu erfassen, jedoch gleichzeitig immer mit dem Outcome (Response/Remission bzw. Rückfall) in Verbindung zu setzen. Weitere interessante Vorträge wurden von Prof. Dr. Michael Linden (Nebenwirkungen von Ergotherapie-Gruppen) und Dr. Inga Ladwig (Aufklärung von Psychotherapiepatienten – Qualitative Interviewstudie zur Nützlichkeit von Aufklärung zu negativen Effekten von Psychotherapie aus Patientensicht) gehalten. Prof. Dr. Dieter Kleiber diskutierte als ausgewiesener Experte am Ende eindrucksvoll alle Vorträge in der Zusammenschau, wobei er die Wichtigkeit und Aktualität dieses Forschungsfeldes hervorhob.
Ein weiterer Höhepunkt war für uns am Abschlusstag ein gemeinsamer Vortrag im Rahmen eines von Frau Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Herrn Prof. Dr. Norbert Kathmann organisierten Symposiums zu frühen traumatisierenden Beziehungserfahrungen. Unsere PHB Kommilitonin Elena Surmeli eröffnete das Symposium mit dem einleitenden Vortrag ‚Wie häufig sind welche frühe traumatisierende Beziehungserfahrungen bei verschiedenen psychischen Störungen?’. Anschließend konnten wir von einem Projekt berichten, in dem wir basierend auf einer offenen Pilotstudie von Frau Prof. Brakemeier zu CBASP im stationären Kontext eine eigene Fragestellung abgeleitet haben und erste klinische Erfahrungen vorstellen konnten. In unserer offenen Fallstudie wird die Behandlung von sechs chronisch depressiven Patienten mit komorbider Borderline-Persönlichkeitsstörung mit CBASP zusätzlich durch Strategien der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) verknüpft und ergänzt. Dieses Vorgehen entspricht unserer Meinung nach einem personalisierten therapeutischen Ansatz, der eine fortlaufende Adaptation von indizierten Behandlungsstrategien ermöglicht und sich zudem nach den individuellen Problemen und Schwierigkeiten der Patienten ausrichten kann. Anschließend stellte Annika Küster aus der Arbeitsgruppe von Prof. Christine Knaevelsrud der FU Berlin eine spannende Studie zum Thema ‚Körperliche und sexuelle Reviktimisierung – die moderierende Bedeutung von Bindung im Hinblick auf Risikofaktoren’ vor. Abschließend konnte Prof. Eva-Lotta Brakemeier über erste wertvolle Erfahrungen und Daten des vom BMAS geförderten Modellprojektes für traumatisierte Flüchtlinge berichten, der Interpersonellen Integrativen Therapie für Flüchtlinge. Da wir beide als Therapeuten an diesem Projekt mitwirken, fanden wir die Zusammenschau der ersten Erfahrungen und Daten von 16 Patienten besonders spannend.
Neben den erwähnten Höhepunkten fand sich im Laufe der Kongresstage natürlich wieder Platz für einen spannenden Austausch mit Kollegen. Insgesamt empfanden wir die Tage des Kongresses als sehr bereichernd und motivierend, wobei uns insbesondere die Erfahrungen, die wir als Referenten machen durften, nachhaltig in Erinnerung bleiben werden.
Simon Bollmann und Jan Spies
PHB VT13