Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Renate Volbert – Professorin für Rechtspsychologie
Wann?
19. Januar 2017
19:30 Uhr
Wo?
Psychologische Hochschule Berlin
Großer Hörsaal
Am Köllnischen Park 2
10179 Berlin
Jahrzehntelange Forschung zur Aufdeckung von Täuschung hat keine aufgabenübergreifenden verlässlichen Indikatoren für Täuschung erbracht. Es erscheint daher erfolgversprechender, Täuschung nicht als ein einheitliches Konzept zu betrachten, sondern sich den spezifischen kognitiven Aktivitäten zuzuwenden, die mit den Anforderungen an unterschiedliche Formen von falschen Angaben (im Vergleich zu den Anforderungen an Wahraussagende) verbunden sind. So muss ein lügender Zeuge, der fälschlicherweise behauptet, Opfer einer Straftat geworden zu sein, eine Erinnerung an eine solche Tat vortäuschen. Ein Täter, der behauptet, eine Straftat nicht begangen zu haben, muss dagegen eine tatsächliche Erinnerung unterdrücken und vorgeben, keine Erinnerung zu haben. In dem Vortrag wird erörtert, dass die Fokussierung auf die jeweiligen kognitiven Aktivitäten, die mit verschiedenen Täuschungsaufgaben verbunden sind, die Differenzierbarkeit zwischen wahren und erfundenen Aussagen erhöhen kann.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, Ergebnisse aus Gruppenvergleichen in diagnostische Strategien für Einzelfallentscheidungen zu übertragen. Interindividuelle Unterschiede sind zu berücksichtigen; Abweichungen von individuell möglichen Aussageleistungen sind für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage relevanter als die Aussagequalität per se. Obwohl entsprechende diagnostische Überlegungen seit langer Zeit vorgetragen werden, sind sie wenig spezifiziert und kaum empirisch überprüft worden. In dem Vortrag wird zusammengetragen, welche Erkenntnisse wir bereits haben und um welche zusätzlichen Informationen wir uns zukünftig bemühen sollten, um angemessene Beurteilungen von Einzelfällen in der forensischen Praxis vornehmen zu können.