Quantcast
Channel: Psychologische Hochschule Berlin
Viewing all articles
Browse latest Browse all 315

Comme c’est belle, la vie á Toulouse! Kongress der European Association of Psychology of Law (EAPL)

$
0
0

Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht vom Kongress der European Association of Psychology of Law (EAPL) in Toulouse oder: Was ein Bohneneintopf mit Entenfleisch und Würstchen, Thomas von Aquin und Bastian Schweinsteigers Hand mit Forensischer Psychologie zu tun haben

 

Das Schöne an Kongressen ist, dass – obwohl man mindestens den halben Tag damit verbringt, Fach-Vorträge zu hören, Fach-Gespräche mit Fach-Kollegen zu führen und in andere Fach-Gebiete hineinzuhorchen – es eben nicht nur ums Fach geht. Zumindest, wenn der Kongress in Städten wie Toulouse stattfindet.

 

Aber beginnen wir von vorn: Ich hatte die Ergebnisse meiner Diplomarbeit als Posterpräsentation beim jährlichen Kongress der European Association of Psychology of Law (EAPL) angemeldet. Darin hatte ich Probanden anhand ihrer Fähigkeit geclustert, tatsächliche Erlebnisse zu schildern und Ereignisse zu erfinden, und die entstandenen Cluster anhand ihrer durchschnittlichen Persönlichkeitsprofile verglichen. Da mein Promotionsprojekt diese Idee der Diplomarbeit aufgreifen und ausbauen soll, war diese Präsentation also auch ein Gradmesser für das, was ich in den nächsten Jahren als Dissertation plane.

 

PHB_Schemmel (1)Dennoch reiste ich verhältnismäßig entspannt nach Toulouse: Das Poster war bereits vorbereitet, einen Vortrag musste ich nicht halten (sondern nur möglichst dekorativ neben meinem Poster stehen und ein paar Fragen beantworten – so stellte ich mir das jedenfalls vor) und dankenswerterweise hatte mir die PHB ein Kongressstipendium gewährt. Glücklicherweise war meine Poster-Session bereits auf den zweiten Tag angesetzt, sodass ich meinen „Auftritt“ frühzeitig hinter mich bringen konnte. Er gestaltete sich jedoch nicht ganz so entspannt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Denn viele Teilnehmer kamen einzeln vorbei und stellten mir Fragen, sodass ich im Ergebnis viele kleine Vorträge innerhalb von 90 Minuten halten musste, um das Projekt ausführlich zu erklären. Das hatte es in sich, hat sich am Ende aber gelohnt. Es ergaben sich viele vereinzelte, daher intensivere Gespräche, und meistens erhielt ich positives Feedback. Die meisten schienen von meinem Ansatz überzeugt. manche meinten sogar, sie wären gespannt auf die Ergebnisse meiner Promotion. Das hinterließ zum einen das gute Gefühl, tatsächlich eine vielversprechende Idee gut umgesetzt zu haben – ein schöner Ausgangspunkt für die Dissertation. Zum anderen stellte ich fest, dass ich doch wieder mehr Zeit in mein Englisch investieren muss (was auch eine Erkenntnis ist), und man sich mit den allermeisten sehr gut unterhalten konnte – nicht nur über Psychologie.

 

Womit wir wieder beim Anfang wären. Denn nachdem dieser Teil der Arbeit geschafft war, hatte ich die restlichen Nachmittage den Kopf frei für die nicht-fachlichen Aspekte des Kongresses: Nach den Vormittagsveranstaltungen und -referaten konnte ich mit anderen Kolleginnen und Kollegen durch die malerische Innenstadt von Toulouse spazieren und die roten Backsteinhäuser mit den großen, weißen Fensterläden bewundern. Ich konnte ausführlich und mehr oder weniger erfolgreich mein eingerostetes Französisch aufpolieren und mich auf die Jagd nach der regionalen Spezialität machen, einem Eintopf aus weißen Bohnen, Entenfleisch und Würstchen namens Cassoulet. Im Dominikanerkloster der Stadt, Les Jacobins, warfen wir einen Blick auf die Gebeine von Thomas von Aquin (der sich übrigens schon im 13. Jahrhundert ausführlich mit psychologischen Themen auseinandersetzte) und genossen die Stille und Abgeschiedenheit im Säulengang des Klosters. Nun musste nur noch Deutschland das EM-Halbfinale gegen Frankreich (!) am vorletzten Kongresstag gewinnen und die Woche wäre endgültig ein voller Erfolg gewesen. Der Abend des Spiels, das zeitgleich mit dem Konferenzdinner stattfand, schickte sich jedoch an, in einem Fiasko zu enden. Bastian Schweinsteiger rutschte kurz vor der Halbzeitpause die Hand aus, die Franzosen gingen mit einem Handelfmeter in Führung und meine Stimmung in den Keller. Dies sollte sich aber nur wenige Minuten später schlagartig ändern: Zu meiner Überraschung bekam ich den EAPL-Nachwuchs-Award für das beste Poster verliehen (die einfühlsamen Organisatoren ließen die Verleihung in der Halbzeitpause stattfinden), sodass meine Tränen schnell getrocknet und mein Abend – trotz sich anschließender Niederlage für die DFB-Elf – gerettet war.

 

So war der EAPL-Kongress 2016 sowohl in fachlicher als auch in nicht-fachlicher Hinsicht ein voller Erfolg. Bei der PHB und ihren Freunden und Förderern möchte ich mich noch einmal ausdrücklich für das Stipendium bedanken. So wird der Kongress umso mehr in guter Erinnerung bleiben. Nur Bastian Schweinsteigers Hand verfolgt mich noch manchmal in meinen Träumen.

 

Joans Schemmel (Masterstudiengang Rechtspsychologie)


Viewing all articles
Browse latest Browse all 315